Am 10.10.2024 fand die erste GILDS-Diskussion nach der Sommerpause statt. Zu Gast war Dr. Agata Kleczkowska mit einem Vortrag zum Thema „Retorsions in International Law: Do We Still Need Them?”
Retorsionen sind unfreundliche, aber legale Maßnahmen, die als Reaktion auf einen illegalen oder unfreundlichen Akt anderer Staaten ergriffen werden. Sie sind allerdings rechtlich nicht geregelt, da der Begriff alle Maßnahmen bezeichnet, welche im Ermessen der Staaten liegen.
Retorsionen unterscheiden sich von Gegenmaßnahmen, welche eine an sich rechtswidrige Reaktion auf eine Völkerrechtsverletzung darstellen. Im Gegensatz zu Gegenmaßnahmen bieten Retorsionen den Staaten mehr Flexibilität. Zum einen handelt es sich um Maßnahmen, welche jedenfalls nicht das Völkerrecht verletzen, zum anderen müssen Retorsionen bei Erreichung des Ziels nicht beendet werden. Retorsionen können sowohl gegen legale als auch illegale Akte gerichtet sein und bedürfen keiner vorangehenden Information bzw. Verhandlung mit dem verantwortlichen Staat. Hinzu kommt, dass Retorsionen keiner Rechtfertigung bedürfen. Weiters können sie dem Verhalten des verletzenden Staates identisch, ähnlich oder vollkommen verschieden sein. Das Ziel von Retorsionen kann im Unterschied zu Gegenmaßnahmen auch darin bestehen, die Interessen eines Staates zu schädigen, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen, zu bestrafen oder abzuschrecken. Der Erfolg von Retorsionen hängt auch von der politischen und wirtschaftlichen Macht eines Staates ab.
Weiters sind Retorsionen von Sanktionen zu differenzieren. Bei Sanktionen handelt es sich um einen Sammelbegriff für alle Durchsetzungsmaßnahmen im Völkerrecht, wobei der Begriff sehr weit und vage ist, da er nichts über die Legalität bzw. Rechtfertigungsnotwendigkeit der Maßnahme aussagt.
Abschließend kam Dr. Agata Kleczkowska zu dem Schluss, dass Retorsionen, als legale und vor allem flexible Reaktionen auf illegale und unfreundliche Akte anderer Staaten nach wie vor von sehr großer Bedeutung sind. Sie erfordern weder eine Vorwarnung oder Rechtfertigung, noch müssen sie reversibel sein. Außerdem müssen sie nicht zwingend darauf abzielen, dass ein Staat seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt.
Das Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Graz bedankt sich bei Dr. Agata Kleczkowska für ihren einsichtsvollen Vortrag im Rahmen der GILDS-Veranstaltungsreihe und freut sich auf weitere spannende Vorträge innerhalb der Reihe. Weiterer Dank gilt allen Präsenz- sowie Online-Teilnehmer:innen für die angeregte Diskussion.