Im Studium der Rechtswissenschaften wird für gewöhnlich gelehrt, dass Völkergewohnheitsrecht durch zwei Elemente gekennzeichnet ist: Staatenpraxis und opinio iuris. Es gibt jedoch Gründe zur Annahme, dass diese Zuschreibung der Natur von Völkergewohnheitsrecht nicht gerecht wird, wie Prof. Jean D’Aspremont in einem Gastvortrag an der Universität Graz – im Rahmen der GILDS-Veranstaltungsreihe und in Kooperation mit ESIL – eindrucksvoll demonstrierte. Seiner Erläuterung zufolge ist der Diskurs diesen Themenbereich betreffend vielschichtiger als oftmals behauptet. In seinem Vortrag führte er vier Beobachtungen an, die sonst nicht in dieser Form erkannt und dargestellt werden. Diese betreffen erstens die oft verkannte Modernität der entsprechenden Rechtsquelle, zweitens die Qualifikation einer Aussage als völkergewohnheitsrechtliche Norm, drittens die Notwendigkeit der Krise des Diskurses über Völkergewohnheitsrecht und viertens die Eigenschaft der Schriftlichkeit von Völkergewohnheitsrecht.
Prof. D’Aspremont nahm sich außerdem die Zeit, ausführlich auf alle Fragen des Plenums einzugehen, sowie am selben Tag eine Masterclass für PhD-Studierende österreichischer und ungarischer Universitäten zu leiten. Das Institut für Völkerrecht der Universität Graz wird die begonnene Kooperation und den regen Diskurs mit großem Interesse weiterverfolgen.