Christian Pippan, Die Stellung des Vertrags von St. Germain im gegenwärtigen Völkerrecht, in: Herbert Kalb/Thomas Olechowski/Anita Ziegerhofer (Hrsg), Der Vertrag von St. Germain – Kommentar (Wien: Manz 2021) 51 -58.
Der am 16. Juli 1920 in Kraft getretene Vertrag von St. Germain (VSG) gilt bis heute als ein staatstragendes Dokument der nach der Auflösung der Habsburgermonarchie entstandenen Republik Österreich. Bis zum „Anschluss“ des Landes an Hitler-Deutschland im März 1938 hatte der Vertrag den internationalen Status der (Ersten) Republik konstitutiv geprägt; er bildete gewissermaßen ihre völkerrechtliche Geschäftsgrundlage. Ob er nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Gründung der Zweiten Republik im rechtlichen Sinne wieder auflebte, wurde unter den Vertragsparteien niemals expressis verbis geklärt, ist aber auf der Grundlage der von Österreich geltend gemachten und seitens der Alliierten implizit anerkannten „Okkupationstheorie“ anzunehmen. Von vornherein stand freilich fest, dass bestimmte Vertragsinhalte – etwa der gesamte Teil I (der die Akte des im Zuge des Krieges funktionslos gewordenen und im April 1946 formell aufgelösten Völkerbundes enthielt) – in der Zwischenzeit hinfällig geworden waren. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf nachfolgende politische und rechtliche Entwicklungen, einschließlich des Abschlusses eines für Österreich abermals statusdefinierenden Staatsvertrages im Jahr 1955, geht der Beitrag der Frage nach, ob der VSG überhaupt noch Bestandteil des geltenden Völkerrechts ist – oder er nur noch ein historisches Relikt darstellt, dessen völkerrechtliche Bedeutung ausschließlich in der Vergangenheit liegt.
Der Kommentar ist verfügbar unter: Der Vertrag von St. Germain (lexisnexis.at)