In Kooperation mit dem Österreichischen Roten Kreuz, dem Außenministerium und der Johannes Kepler Universität Linz lud das Institut für Völkerrecht und internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität Graz am 21. November 2016 zum Seminar „Nicht tödlich oder weniger tödlich? Rechtsfragen zum Einsatz nicht oder minder tödlicher Waffen“ ins Meerscheinschlössl. Nicht oder minder tödliche Waffen – dazu gehören zum Beispiel Gummigeschosse, Taser oder Schallwaffen – machen Personen und Objekte kampfunfähig, ohne dabei zu töten oder bleibende Schäden zu verursachen. Wann und unter welchen Umständen diese im militärischen und polizeilichen Alltag zum Einsatz kommen können oder sollten, ist jedoch strittig. Ziel dieser Veranstaltung zum humanitären Völkerrecht war es daher, einen Austausch zwischen ExpertInnen der Universitäten und VertreterInnen der Praxis herzustellen.
Am Vormittag lieferte Dr. Karl Edlinger, Rechtsberater der österreichischen Streitkräfte, einen Einblick in den militärischen Einsatz solcher Waffen und dessen Deckung durch das humanitäre Völkerrecht. Im Anschluss daran schilderte Oberstleutnant Franz Pirker seine konkreten Erfahrungen während seines Einsatzes im Rahmen der Kosovo-Truppe KFOR 2011. Sein Fazit: „Minder tödliche Waffen zeigen im militärischen Alltag durchaus Wirksamkeit. Gleichzeitig bergen sie aber auch die Gefahr, dass die Hemmschwelle für den Waffengebrauch an sich erheblich sinkt.“
Die Nachmittagsbeiträge des Seminars widmeten sich dem Einsatz von nicht oder minder tödlichen Waffen im polizeilichen Alltag. Dr. Rudolf Keplinger, Landespolizeidirektion Oberösterreich, präsentierte in seinem Vortrag die rechtlichen Grundlagen und Grenzen des Waffengebrauchs in Österreich. Oberst Hermann Zwanzinger vom Referat für Sondereinsatzangelegenheiten im Innenministerium ging anschließend auf die konkreten, taktischen Aspekte beim Einsatz der in Österreich erlaubten Dienstwaffen wie Taser, Pfeffersprays oder Einsatzstöcke ein.
Botschafter Dr. Helmut Tichy, Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenministerium, unterstrich in seinem Vortrag die große Bandbreite an nicht und minder tödlichen Waffen. Nach dem Impulsvortrag von Dr. Bernhard Schneider vom Österreichischen Roten Kreuz wurde gemeinsam mit dem Publikum diskutiert, ob nicht oder weniger tödliche Waffen zu einem humaneren Kampf führen, ob Staaten zum Einsatz derartiger Waffen völkerrechtlich verpflichtet werden sollten und ob weniger Tote in Konflikten dazu beitragen können, anschließende Friedensprozesse zu beschleunigen.
Das Resümee der Tagung: „In Zeiten wie diesen lebt die zivile Bevölkerung in Konflikten bereits gefährlicher als die Kombattanten und Kombattantinnen. Weil nicht tödliche Waffen dabei helfen können, weitere zivile Opfer zu vermeiden, ist ihr Einsatz aus diesem Blickwinkel begrüßenswert. Dennoch ist auch ihr Gebrauch genauso kritisch zu hinterfragen wie jeder Waffeneinsatz, da auch sie bei falscher Handhabe zum Tod oder zu schweren Dauerfolgen führen können“, fasst Organisator Ao.Univ.-Prof. Dr. Gerd Oberleitner zusammen.